Wie läuft das Verfahren?

Fiktives Interview mit Rechtsanwalt Cornelius Hänsch

Was ist ein Bürgerbegehren?

Ein Bürgerbegehren ist ein Stück direkte Demokratie. Normalerweise entscheiden die Bürger im Wege der repräsentativen Demokratie, d. h. die Bürger wählen einen Stadtrat und der Stadtrat trifft Entscheidungen. Bei einem Bürgerbegehren entscheiden die Bürger, ähnlich wie in der Schweiz, zu einem bestimmten Thema. Es gibt eine konkrete Frage und die Bürger stimmen ab mit „JA“ oder „Nein“. 

Sie kennen das Verfahren vom Bürgerentscheid zur „blauen Lagune“ in 2017. Da hatten die Bürger ebenfalls anders entschieden als der Stadtrat. Die „blaue Lagune“ gibt es noch heute, weil die Bürger von Trier es so möchten.

Wie läuft das Bürgerbegehren konkret ab?

Zuerst muss dargelegt sein, dass die Bürger von Trier sich für dieses Thema überhaupt interessieren und in ein Bürgerentscheid abstimmen möchten. Ganz konkret zeigen die Bürger dies durch 4.300 Unterschriften. Erst wenn diese Unterschriften vorliegen, wird der Oberbürgermeister den Bürgerentscheid organisieren. Der Bürgermeister veröffentlicht Stellungnahmen, verschickt eine Wahlbenachrichtigung und organisiert die Abgabe und Auszählung der Stimmen. Wir zielen darauf ab, dass die Bürger am Tag der Bundestagswahl abstimmen können, d. h. am 26. September 2021. Da an diesem Tag ohnehin eine Wahl stattfindet, sind die Mehrkosten für das Bürgerbegehren gering.

Wo ist das Bürgerbegehren geregelt? 

Das Bürgerbegehren ist in der Gemeindeordnung (GemO) geregelt. Das ist ein Landesgesetz, das für alle Gemeinden in Rheinland-Pfalz gilt. Die relevante Vorschrift ist § 17a GemO. Dort ist geregelt, dass die Bürger einen Beschluss des Stadtrats verwerfen können. Die Entscheidung der Bürger überstimmt die Entscheidung des Stadtrats. 

Es ist die Idee dieser Regelung, mehr Demokratie umzusetzen.

Ist ein Bürgerentscheid zur Anzahl der Dezernatsstellen zulässig?

Ja, ein solches Bürgerbegehren und der sich daran anschließende Bürgerentscheid sind zulässig. Allerdings ist es von Interesse, an dieser Stelle genau hinzusehen. Nach § 17a II Nr. 2 GemO ist ein Bürgerentscheid nicht zulässig, über „Fragen der inneren Organisation der Gemeindeverwaltung“. Das betrifft z.B. die Frage, welche Person welches Amt bekleidet oder wann im Rathaus die Kaffeepause gemacht wird. Die Bürger dürfen aber den Zuschnitt der Verwaltung bestimmen, u.a. die Änderung der Hauptsatzung.

Diese Rechtsauffassung zur Zulässigkeit entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung niedergelegt ist. Zudem wird diese Rechtsauffassung von der Kommentierung zur Gemeindeordnung gestützt. Ferner haben einige Verwaltungsgerichte diese Rechtsauffassung bestätigt.

Die genauen Fundstellen lauten: Landtag Rheinland-Pfalz, Drucksache 12/2796, 16.03.1993, Seite 71f.; VGH Kassel, Beschluss vom 30.09.2003 – 8 TG 2479/03 – NVwZ RR 2004, 281, 281ff.; VGH Kassel, Beschluss vom 13.07.2004 – 8 TG 1067/04 Rn. 43; Kommunalverfassungsrecht Rheinland-Pfalz, Gabler, Höhlein, Klöckner u.a. (Hrsg.), § 17a GemO 3.3.2.3.

Hat Trier nach § 50 der Gemeindeordnung nicht das Recht auf fünf und sogar sechs Dezernenten neben dem Bürgermeister?

Ja, die Stadt Trier hat dieses Recht. Wir greifen nicht an, dass der Stadtrat rechtswidrig gehandelt habe. Wir möchten zur Abstimmung bringen, ob der Stadtrat im Interesse der Bürger gehandelt hat. Es ist keine Frage des Rechts, sondern der politischen Klugheit.
Beispielsweise kann ich als Privatperson mein Vermögen verschleudern, ohne dass ich einen Gegenwert erhalte. Das ist rechtlich einwandfrei, aber es ist nicht klug.

Wird durch den Bürgerentscheid nicht in die „Kommunale Selbstverwaltung“ eingegriffen?

Nein, der Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung besagt nur, dass die Gemeinden einen eigenen Spielraum haben. Dabei ist irrelevant, ob die Gemeinden ihre Position innerhalb des Spielraums durch einen Beschluss des Stadtrats oder durch einen Bürgerentscheid ermitteln.

Die Gefahr für die Kommunale Selbstverwaltung droht von anderer Seite. Wenn Trier seine Schulden nicht in den Griff bekommt, könnte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion im Kurfürstlichen Palais aktiv werden, indem sie der Stadt Trier Weisungen erteilt.

Wo könnte es rechtlich noch einmal interessant werden?

Interessant ist die Zulassung des Bürgerentscheids und die Zeit bis dorthin. Wir haben vier Monate Zeit, um die Unterschriften vorzulegen. Dann prüft die Stadtverwaltung, ob die Unterschriften vorliegen und der Bürgerentscheid zulässig ist. Wir werden der Stadtverwaltung bereits im Vorfeld Unterschriften zukommen lassen, um die Prüfung zu entzerren. Zudem werden wir mit dem Oberbürgermeister das Gespräch suchen, um alle Zulässigkeitsvoraussetzungen zu erfüllen und das Verfahren professionell zu koordinieren.

Das Gespräch zu suchen, ist auch vor dem Hintergrund der Stellenbesetzung sinnvoll. Wir haben vier Monate Zeit, um die Unterschriften vorzulegen. Sollte die Stadtverwaltung zwischendurch die Stelle ausschreiben und besetzen, wäre das Bürgerbegehren hinfällig. Auf diese Weise könnte das Bürgerbegehren unterlaufen werden. Sobald erkennbar ist, dass die Stadt das Bürgerbegehren unterlaufen möchte, werden wir beim Verwaltungsgericht vorläufigen Rechtsschutz beantragen. Dieser Rechtsschutz würde darauf abzielen, dass das Verwaltungsgericht der Stadt die Besetzung der Stelle bis zum Abschluss des Bürgerentscheids untersagt.